Rede zum Haushalt der Stadt Eschweiler 2021
09. Juni 2021
Stefan Schulze
Haushaltsrede 2021 des Vorsitzenden der FDP-Fraktion
im Rat der Stadt Eschweiler
vom 9. Juni 2021
Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
meine Damen und Herren,
ohne Zweifel und wie voraussichtlich auch von allen Anwesenden in der Sache auch so bereits aufgegriffen, stellten die vergangenen Monate eine Ausnahmezeit dar, wie sie noch keiner von uns bisher erlebt hat: persönlich, familiär, beruflich und gesellschaftlich. Es gibt keine vergleichbare Erfahrung, die wir zugrunde legen können oder an der wir uns orientieren können, um Entscheidungen so zu treffen, wie wir es gewohnt sind.
Das Ziel vernünftig zu handeln verbunden mit dem Gefühl das Richtige zu tun, ist in der aktuellen Lage der Pandemie in praktisch allen Lebensbereichen in Frage gestellt. Freiheiten sind eingeschränkt, Sicherheiten fehlen. Die natürliche Folge ist, dass Menschen Angst haben, das Falsche zu tun und aus dieser Angst heraus zu schnell bereit sind, ihr Handeln oder Nicht-Handeln mit der gefühlten Ursache aller Probleme, der Corona Pandemie, zu begründen. Das ist ebenso verständlich wie es leider auch riskant ist. Für viele uns derzeit präsenter Defizite ist der Virus nämlich nicht die Ursache. Er ist ein Katalysator, der uns Missstände vor Augen führen sollte, vor denen wir aus Bequemlichkeit oder Routine viel zu lange die Augen verschlossen haben. Auch die kommunale Finanzsituation und damit die unserer Stadt Eschweiler sollte unter dieser Perspektive betrachtet und beurteilt werden.
Zur Wahrheit gehört in diesem Zusammenhang: der Haushalt der Stadt Eschweiler schloss mit einem realen Fehlbetrag von sieben Millionen Euro – unabhängig davon, wie dieses buchhalterisch dargestellt wird. Das Haushaltsjahr 2021 wird mit einem negativen ordentlichen Ergebnis von fast 12 Millionen gerechnet; nur der Rückgriff auf die Bilanzierungshilfe erlaubt hierbei das Ausweisen eines positiven Jahresergebnisses von rund einer halben Millionen Euro. Der Blick auf die Zukunft der prospektiven Planung geht von einer Summierung dieser Defizite von über 76 Millionen Euro aus.
Eine Stadt ist kein Unternehmen und kein Privathaushalt. Nicht alle Regeln der Haushaltsführung die für die einen Institutionen gelten sind auf die anderen anwendbar. Aber es gibt dennoch universelle Gemeinsamkeiten und zwar sowohl ökonomische wie auch psychologische. Eine dieser ökonomischen Grundregeln ist: Verschuldungen können notwendig, sogar sinnvoll, sein, so lange sie investiv sind und das vorhandene Eigenkapital nicht übersteigen. Diesen Pfad verlässt die Stadt Eschweiler in ihrer aktuellen Planung. Gibt es zu dieser Vorgehensweise ein Alternative? Ist sie der einzige gangbare Weg, um die Stadt Eschweiler handlungsfähig zu halten und ist der einzige Grund hierfür die von niemandem verschuldete gesundheitliche Krise in der sich die gesamte Welt befindet? Genau hier beginnt der Weg in die falsche Richtung. Er führt zu einer Akzeptanz des vermeintlich unvermeidbaren und damit einer Denkweise, die sich von den obersten Institutionen unserer Gesellschaft bis hinunter zum einzelnen Bürger im Denken und Handeln manifestieren wird.
Aus diesem Teufelskreis werden wir als einzelne Menschen wie auch als Gesellschaft nur heraus kommen, wenn wir uns bewusst machen, dass es unser ganz konkretes Handeln ist, welches Dinge auslöst und in Gang hält. Der Blick nach Schuldigen und Rettungen von außen mag zwar verlockend sein, aber er führt lediglich in die weitere Abhängigkeit, Passivität und Resignation. Hier und jetzt müssen von uns – insbesondere von uns Vertretern der Bürger – Signale gesetzt werden, die zeigen: nein, es muss auch anders gehen. Die Gewährung von Finanzhilfen, Schlüsselzuweisungen, Rettungsschirmen, Bilanzierungshilfen und sonstigen „milden Gaben“ befreien uns nicht aus unserer Misere, sie manifestieren unsere Abhängigkeit nur weiter und nehmen uns mit jeder weiteren Annahme dieser Leistungen unsere Freiheit zum selbstbestimmten Handeln. Die Alternative ist steinig und unbequem, aber sie ist längst überfällig. Und genau hier hätte es genau eines solchen Signals durch Kämmerer und Bürgermeisterin im aktuellen Haushaltsentwurf bedurft. Ein solidarischer und so weit möglich parteiübergreifender Aufruf, bereits diesen Haushalt mit einem Fahrplan zu Einsparungen und Einnahmensteigerungen einzubringen. Statt dessen, werden weiterhin bestehende Strukturen als unveränderbar angesehen.
Wir freie Demokraten mahnen den Weg zur Sparsamkeit seit Jahren, vielmehr seit Jahrzehnten, an, sei es in Form der externen Überprüfung und Beratung der städtischen Verwaltungsprozesse und Personalentwicklung, sei es in unserer Skepsis zur nachhaltigen Finanzierbarkeit des dritten beitragsfreien Kindergartenjahres. Grundstücke der Stadt Eschweiler werden unter erzielbaren Marktwerten verkauft, Projekte jeder Art werden zuerst unter sozialen als unter ökonomischen Gesichtspunkten diskutiert. All dies kann moralisch befürwortet werden, aber es setzt voraus, dass wir uns diese auch leisten können. Nichts auf der Welt ist so teuer wie die Armut. Und diese „Armut“ ist nicht nur eine ökonomische Gefahr, sie ist vor allem eine psychologische. Welches Signal wollen wir an die Menschen weitergeben, für die wir als Organe des Staates Verantwortung tragen, aussenden? Dass auch wir keinen Weg aus einer Krise wissen, als uns von anderen retten zu lassen oder, dass wir selbst beginnen müssen den Weg aus der Krise zu beschreiten? Und dass dieser Weg weder leicht noch angenehm ist, aber wir es gemeinsam schaffen können.
Die Fraktion der FDP im Rat der Stadt Eschweiler kommt bedauerlicherweise zu dem Ergebnis, dass der Haushaltsentwurf in seiner vorliegenden Form von uns nicht mitgetragen werden kann. Er weist nicht die jetzt notwendigen Ansätze auf, ein notwendiges Umdenken in den kommunalen Finanzen der Stadt anzustoßen und in den folgenden Haushaltsjahren zu beschreiten. Er führt damit ökonomisch wie auch gesellschaftlich derzeit in einer aus unserem Verständnis falsche Richtung. Er legt damit den weiteren Grundstein dafür, dass kommende Generationen für die heutigen Entscheidungen aufkommen müssen ohne diese noch beeinflussen zu können. Wir unterstellen nicht, dass dies aus Unkenntnis oder Leugnung der realen Situation seitens der Verantwortlichen der Stadt Eschweiler geschieht. Aber unabhängig der Beweggründe halten wir die vorgelegte Richtung aus den genannten Argumenten für falsch und daher von uns nicht mittragbar. Wir hoffen, dass in dem in kürze einzubringenden Vorschlag für das nächste Haushaltsjahr ein Umdenken einsetzen wird und bieten bereits jetzt an, diesen Prozess nach Kräften zu unterstützen. Eschweiler kann mehr – es wird Zeit, dass wir das gemeinsam beweisen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.