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Rede zum Doppelhaushalt der Stadt Eschweiler 2024/2025

27. Juni 2024

Stefan Schulze


Stefan Schulze

Haushaltsrede 2024 des Vorsitzenden der FDP-Fraktion
im Rat der Stadt Eschweiler
vom 26. Juni 2024

 

Sehr geehrte Frau Bürgermeisterin,
sehr geehrte Frau Kämmerin,
liebes Team der Verwaltung,
Kolleginnen und Kollegen im Stadtrat und
natürlich geschätzte Bürgerinnen und Bürger,

heute stehen wir vor der wichtigen Aufgabe, den Haushalt für Eschweiler zu verabschieden. Eine Aufgabe, die angesichts der aktuellen finanziellen Lage unserer Stadt alles andere als leicht ist.

Mit diesen Worten kann jede Haushaltsrede der Vergangenheit und vermutlich auch der Zukunft eingeläutet werden. Und das ist – um es kurz vorweg zu nehmen – das eigentliche Debakel. Nicht nur, weil es stimmt, sondern weil darin bereits der Kern einer Art selbsterfüllenden Prophezeiung liegt, die lautet: „Besser wird’s ab hier auch nicht mehr“.

Uns liegt ein Haushaltsentwurf vor, der aufgrund der zahlreichen finanziellen Herausforderungen – von den Auswirkungen der Inflation über den Ukraine-Krieg bis hin zu den erhöhten Zinsen und dem Tarifabschluss 2023 – nicht einfach zu bewältigen ist. Die Verwaltung hat unserer Meinung nach gute Arbeit geleistet, um das Defizit zu senken und – auch das muss hier einfach auch ein Wort der Wertschätzung und des Dankes erhalten - einen genehmigungsfähigen Haushalt vorzulegen. Und trotzdem sehen wir als FDP-Fraktion, in der vorgeschlagenen drastischen Erhöhung der Grundsteuer B nicht den einzigen gangbaren Weg. Wie so oft im Leben, gibt es nie nur einen Weg und eine Wahrheit, sondern immer nur solche, die zur jeweiligen Perspektive und zum jeweiligen Ziel passen.

1. Die Herausforderung:

Die Finanzlage der Kommunen ist komplex und wird durch Aufgabenübertragungen von Land und Bund ohne ausreichende Kompensation weiter erschwert. Das haben wir jetzt schon mehrfach gehört und ich schließe mich da in fast allen Punkten meinen Vorrednern an. Und dennoch bleibt die Frage, welche Schlussfolgerungen wir daraus ziehen müssen. Die zwar richtige Forderung nach einem gerechteren Zufluss von Mitteln an die Kommunen durch Land und Bund hat uns bisher nicht aus der Misere geholfen und wird es auch in Zukunft nicht tun. Die Forderung nach einer grundlegenden Reform von Rente, Gesundheitswesen und kommunaler Finanzierung erinnert in Bezug auf die Diskrepanz zwischen Wahlkampf und Regierungszeit jeder Partei – inklusive meiner – an die private Situation zwischen guten Vorsätzen zum neunen Jahr und der Ernüchterung, wenn 12 Monate später die Weihnachtsgeschenkeinkäufe wieder anstehen. Was wäre, wenn wir daher diesen Faktor – schon aus Gründen der begrenzten persönlichen Lebenszeit - einfach einmal aus der Planung heraus nehmen und uns nur auf die in unserer Hand möglichen Ergebnisverbesserungen konzentrieren würden. Selbst wenn dies im Wissen geschieht, dass wir das real existierende Delta nicht völlig kompensieren, aber wenigstens nach besten Kräften positiv verändern verändern können.

2. Grundsteuer B:

Steuerhöhungen können dabei, auch wenn es einem liberalen Fraktionsvorsitzenden nur unter Bauchschmerzen über die Lippen kommt, ein tatsächlich gangbarer Weg sein. Und dennoch: die vorgeschlagene rückwirkende Erhöhung der Grundsteuer B von 520 % auf 895 % bedeutet eine Mehrbelastung für die Bürger, die wir in dieser Form nicht mittragen können. Diese Erhöhung würde viele Mieter und Eigentümer unverhältnismäßig stark belasten. Beispiele aus dem vorliegenden Beschlussvorschlag verdeutlichen dies: Ein durchschnittliches Einfamilienhaus würde eine jährliche Mehrbelastung von mehreren hundert Euro tragen müssen. Diese finanzielle Belastung ist für viele Haushalte nicht tragbar und wird die bereits bestehenden erheblichen sozialen Spannungen nur noch weiter verstärken. Insbesondere, wenn dies zusammen mit den bereits erfolgten Belastungen der Inflation, den Auswirkungen der Grundsteuerreform und der für Mieter statt findenden Nachzahlungen zu Beginn des kommenden Jahres zusammen fällt. Stattdessen plädieren wir dafür, dass im aktuellen Haushaltsjahr keine rückwirkende Steuererhöhung stattfindet. Wir sollten den Bürgern Planungssicherheit geben und erst im nächsten Jahr eine maßvolle Erhöhung in Betracht ziehen. Das sagen wir wohl wissend, dass sofern wir die dazwischen liegende Zeit nicht konstruktiv nutzen, ab dem Jahr 2026 auch die Möglichkeit besteht, eine deutlich stärkere Anhebung der Steuern als sie jetzt geplant ist, ins Auge fassen zu müssen und sie bereits jetzt in der prospektiven Finanzplanung der kommenden 5 Jahre zumindest fiktiv einzupreisen. Aber eben darin besteht dann unsere Aufgabe in der dazwischen liegenden Zeit: genau das mit gemeinsamen Kräften aller demokratischen Parteien zu verhindern.

3. Verantwortung übernehmen:

Denn es ist doch so: Es ist einfach, mit dem Finger auf die Verwaltung, die Bürgermeisterin, die Mehrheitskoalition oder Opposition zu zeigen. Doch das bringt uns nicht weiter. Wir müssen die Verantwortung wieder stärker in unsere eigenen Hände nehmen. Das gilt auch für uns als FDP. Wir hätten unsere Ideen und Anträge noch stärker und zielgerichteter einbringen und dafür Mehrheiten finden müssen. Hier müssen wir glaube ich alle selbstkritisch sein, besser werden und uns von dem Nimbus verabschieden, den alleine selig machenden Weg zu kennen. Wir dürfen nicht nur auf externe Faktoren oder andere Akteure zeigen, sondern müssen uns auch fragen, was wir selbst besser machen können und vor allem, was auch einmal für die Argumente der anderen Seite sprechen könnte.

4. Was können wir uns leisten?

Das bedeutet dennoch nicht, auch für die eigenen Lösungsansätze und Perspektiven zu kämpfen. Und als Partei, die für die Verantwortung des einzelnen eintritt, liegt unser Hauptaugenmerk dabei zwangsläufig darauf, bei jeder Entscheidung vor anderen Aspekten zu fragen: "Was können wir uns leisten?" und "Steigert das unseren Wohlstand?". Insbesondere der letzte Begriff scheint schon fast eine Art Hybris in unserer Stadt geworden zu sein. Aber wir sind der festen Überzeugung: nur wenn wir Wohlstand als ein Ziel definieren, können wir es überhaupt erreichen.

Aus diesem Grund müssen diese Fragen im Mittelpunkt unserer Entscheidungen stehen. Und dies ist auch nicht nur über Einsparungen zu erreichen. Es geht nicht nur darum, die finanziellen Löcher zu stopfen, sondern darum, nachhaltige Investitionen zu tätigen, die unsere Stadt langfristig voranbringen. Dazu gehört auch eine ehrliche Bewertung unserer Projekte und Ausgaben. Können wir uns diese wirklich leisten? Bringen sie uns als Stadt weiter? Diese pragmatische Herangehensweise muss unsere Entscheidungen leiten.

5. Eschweilers Stärken:

Eschweiler hat viele Standortvorteile. Wir wachsen stetig und haben das Potenzial, das Image einer "armen Stadt" abzulegen. Unser Fokus muss darauf liegen, neue Unternehmen anzuziehen und einkommensstärkere Einwohner in die Stadt zu bringen. Dafür müssen wir aber auch die Lebensqualität und die Infrastruktur verbessern. Eschweiler liegt strategisch günstig, verfügt über eine gute Anbindung und hat eine reiche Geschichte sowie kulturelle Angebote. Diese Stärken müssen wir stärker hervorheben und als Grundlage für unsere Entwicklung nutzen.

6. Soziale Ausgaben und wirtschaftliche Entwicklung:

95% unserer Ausgaben im Sozialbereich sind gesetzlich vorgeschrieben und können von uns nicht einfach verändert werden. Und das ist in unzähligen Fällen auch gut so. Zur Wahrheit gehört aber auch: wie viel wir als Stadt für den Sozialbereich aufwenden müssen, hängt nicht nur von der Höhe der zu erbingenden Sozialleistung ab, sondern auch von der Anzahl, wie oft diese in Anspruch genommen werden muss. Fakt ist: die Ausgaben im Sozialbereich sind hoch und wachsen von Jahr zu Jahr weiter. Doch statt nur darüber zu klagen, sollten wir Maßnahmen ergreifen, die langfristig die Waagschale in Richtung potenzieller neuer Leistungsträger verschieben. Eschweiler konkurriert mit anderen Kommunen in der Städteregion, und wir müssen attraktiver für erfolgreiche Unternehmen und auch Einwohner des Mittelstands werden. Hier können wir nicht nur auf soziale Unterstützungsmaßnahmen setzen, sondern müssen auch Anreize schaffen, dass Menschen mit höherem Einkommen und Unternehmen, die Arbeitsplätze bieten, sich hier ansiedeln sowie bereits bestehenden und Firmen und Bürgern bürokratische und limitierende Hürden aus dem Weg räumen, damit diese sich hier auch weiterhin zu Hause fühlen.

7. Praktische Schritte und Zusammenarbeit:

Wir müssen konkrete Schritte unternehmen, um unsere Stadt voranzubringen. Dazu gehören Investitionen in Bildung und Digitalisierung, die Verbesserung der Infrastruktur und die Förderung von Wirtschaft und Handel. Wir sollten gemeinsam an einer Vision arbeiten, die Eschweiler zu einer lebenswerten und wirtschaftlich starken Stadt macht. Es geht darum, konkrete Projekte umzusetzen, die einen direkten Nutzen für unsere Bürger haben und gleichzeitig die wirtschaftliche Basis stärken.

8. Schlusswort:

Lassen Sie uns diese schwierige Zeit als Chance sehen, um Eschweiler auf einen besseren Weg zu bringen. Dabei dürfen wir nicht nur die Probleme sehen, sondern müssen die Chancen und Potenziale unserer Stadt in den Vordergrund stellen. Wir sind bereit, konstruktiv an Lösungen mitzuarbeiten, die unsere Stadt finanziell stabilisieren und gleichzeitig die Lebensqualität für unsere Bürger verbessern. Und ich weiß, dass viele hier im Raum und unserer Stadt, so unterschiedlich auch einmal Perspektiven auf das „wie“ sein mögen, dieses Ziel genau so vor Augen haben.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

» Haushaltsrede 2024 (PDF, 140 KB)

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