Der Pellet-Boom bringt Wälder in Not
04. Juni 2019
Ist ein Pellet-Heizkraftwerk das richtige für den Vöckelsberg? Im Planungsausschuss sehen manche viele Nachteile.
Umweltfreundlich und preiswert? Ob ein Pellet-Heizkraftwerk das richtige ist für die Versorgung des ressourcenschonenden Baugebiets Westlich Vöckelsberg, wagen Kommunalpolitiker zu bezweifeln. Foto: Thorben Wengert / pixelio.de
Eschweiler. Ist ein Pellet-Heizkraftwerk das richtige für den Vöckelsberg? Im Planungsausschuss sehen manche viele Nachteile, denn der Pellet-Boom sorgt dafür, dass längst nicht mehr nur Holzabfälle verheizt werden.
Die Indestadt braucht Wohnraum. Und der soll – wie es sich für eine mit dem deutschen Nachhaltigkeitspreis ausgezeichnete Stadt gehört – möglichst ressourcenschonend geschaffen werden. Wie das Wohngebiet Neue Höfe in Dürwiß: Hier durften nur Gebäude errichtet werden, deren Ressourcenverbrauch maximal 50 Prozent eines regional üblichen KfW-55-Gebäudes nicht überschreitet. KfW 55 bedeutet: Das Gebäude erreicht 55 Prozent des nach der jüngsten Energieeinsparverordnung zulässigen Verbrauchswerts.
Was in Dürwiß seine bundesweit beachtete Premiere feierte, das soll am Vöckelsberg wiederholt und optimiert werden. Westlich des Vöckelsbergs sollen auf einem 3,1 Hektar großen Areal nördlich der Königsberger Straße, das teils im Besitz der Stadt, teils im Besitz von RWE ist, bis zu 50 neue Wohneinheiten mit insgesamt rund 7500 Quadratmetern Wohnfläche entstehen. In der Siedlung, so versprechen die Macher, soll der „Einsatz von Rohstoffen, Material und Energie über den gesamten Lebenszyklus des Wohngebietes im Vergleich zu herkömmlichen Siedlungen mindestens um den Faktor 2“ verringert sein. Um dies zu erreichen, sollen nachwachsende oder recycelte Baustoffe verwandt werden.
Preise enorm gestiegen
Und das, so erfuhr jetzt der Planungs-, Umwelt- und Bauausschuss, gilt auch fürs Heizen. Die EWV stellte den Ausschussmitgliedern ein eigens für das neue Wohngebiet entwickeltes Nahwärmekonzept vor. Das sieht den Bau eines zentralen Heizkraftwerks am nördlichen Rand des Wohngebiets vor, das die Häuser mit den notwendigen rund 400.000 Kilowattstunden pro Jahr versorgt. Kosten für die Nutzer: etwa 1900 Euro jährlich. Laut EWV die wirtschaftlichste und ökologischste Lösung.
Ob das aber auf Dauer so bleibt, wagen Kommunalpolitiker zu bezweifeln. Denn das Heizkraftwerk auf dem laut EWV für Geothermie ungeigneten Gelände soll mit Holzpellets – 80 Tonnen jährlich – betrieben werden. Und die, so betont FDP-Sprecher Christian Braune, seien bei weitem weder so günstig noch so ökologisch, wie es zunächst den Anschein haben mag. Allein von 2009 bis 2019 sei der Preis pro Tonne der Holzstäbchen, so Braune, um über 80 Prozent von 180 auf 345 Euro gestiegen. Die dennoch große Nachfrage habe längst dazu geführt, dass Pellets aus heimischer Produktion nicht mehr ausreichen, den Bedarf zu decken.
Pellets werden daher seit langen nicht mehr nur aus Holzabfällen, sprich: Sägespänen gepresst, sondern stammen auch aus Abholzungen. Und die finden nicht nur in Deutschland statt: Allein der Pellet-Export aus Kanada nach Europa sei in den zurückliegenden acht Jahren um 700 Prozent gestiegen.
Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland nach Angaben des deutschen Pelletinstituts 2,19 Millionen Tonnen der Holzschnipsel verheizt, davon 20 Prozent aus Importen, überwiegend aus Nachbarländern, Russland, der Ukraine und Weißrussland. Experten vermuten, dass insbesondere die Importpellets aus dem Osten aus großflächigen Abholzungen stammen, die den Öko-Nimbus von Pelletheizungen ad absurdum führten.
Der Wald leidet
Auch Förster Peter Wohlleben, bekannt geworden durch sein Buch „Das geheime Leben der Bäume“, ist aufgrund des steigenden Holzbedarfs kein Pellet-Fan, wie er in einem Spiegel-Online-Interview erklärt: „Man rückt mit riesigen Baggern im Wald an, um auch noch Baumstümpfe herauszureißen und zu verwerten. Das schwere Gerät zerstampft die feinen Poren im Boden, die wichtig für die Belüftung sind. Der Boden erstickt. Baumwurzeln fangen an zu faulen. Die Bäume verlieren ihren Halt und kippen bei Sturm leichter um. Außerdem sinkt die Wasserspeicherfähigkeit des Waldbodens dramatisch.“
Viele der Blockheizkraftwerke, in denen die Späne zur Pelletherstellung getrocknet werden, würden mit importiertem Palmöl betrieben, moniert Wohlleben, für das Regenwälder auf Borneo abgeholzt würden. Zudem entstehe bei der Verbrennung Feinstaub, und die Asche sei gesundheitsschädlich.
Hinzu komme, betont die FDP, dass niemand die Preisentwicklung der Pressholzstäbchen vorhersagen könne. Auf 1900 Euro im Jahr beziffert die EWV die Kosten pro Wohneinheit bei Anschluss an das von ihr konzipierte Nahwärmenetz. Die nächstgünstige Alternative schlage mit derzeit etwa 2400 Euro jährlich zu Buche. Ob dieser Preisvorteil angesichts der stetig steigenden Nachfrage auch in einigen Jahren noch besteht, ist völlig offen.
Alles in allem: Eine Pelletheizung ist zwar derzeit wirtschaftlich vorteilhaft, aber offenbar nicht eben das, was man als ökologisch vorbildlich bezeichnen kann.
Dementsprechend fiel auch der Beschluss des Ausschusses aus: Er nahm das Konzept der EWV zur Kenntnis und beauftragte die Verwaltung, es weiterzuentwickeln – unter besonderer Berücksichtigung „der wirtschaftlichen wie ökologischen Umsetzbarkeit“.
von Rudolf Müller
Eschweiler Zeitung, 04.06.2019